Frage, Resignation, Ergebenheit
Von Arno Neumann – Lausitzer Rundschau, 29.05.2009
Cottbus Kriegerisch ist es geworden im Foyer des Verwaltungsgebäudes von Vattenfall in Cottbus. Eine Galerie lachender dunkelhäutiger GI’s, eingehüllt in schmucke Ausgehuniformen, paradiert lebensgroß an der Wand. Was auf den ersten Blick so eindeutig als Porträts braver Jungs amerikanischer Militärpräsenz, Garant weltweiter Freiheit, erscheint, gemalt und ausgestellt von Daniel Sambo-Richter, hat durchaus seine Mehrdeutigkeit.
Das sieht, flüchtig betrachtet, wie nachempfundene Fotografien aus. Inspiration und Vorlagen für diese Porträts waren tatsächlich Fotografien aus einem britischen Militärarchiv, aufgenommen vor dem Einsatz am D-Day im Juni 1944 zur Eröffnung der zweiten Front in der Normandie gegen Nazi-Deutschland. Das gemalte Bild hinterfragt das fotografierte Bild. Personen in der Zwangsjacke allgemeiner Geschichte werden subjektiv gegenwärtig in der Aneignung durch künstlerische Reproduktion. Die Malereien sind von einer sich geradezu aufdrängenden körperlichen Nähe. Geht man von dieser Porträtreihe lachender GI’s im Obergeschoss nach unten, so erstirbt das Lachen, bis sich beim letzten Bild noch einmal ein ambivalentes Lächeln andeutet. Ganzfigurig sitzt da „Cole“, ein GI.
Historische Kollektion
Das nachdenklichste Bild dieser militärischen Galerie ist ein im Drillichzeug sitzender Soldat „Nathan“, gestützt auf ein martialisch wirkendes Geschützrohrstück. Sein Gesicht ist Frage, Resignation, Ergebenheit – ein aufwühlendes Porträt antiker Größe. Kritisches Hinterfragen ist bei all diesen Porträts niemals Verurteilung. Daniel Sambo-Richter sieht das Kriegerische als zum Wesen des Menschen gehörig. „Der Mensch ist ein kriegerisches Wesen. Ich verstehe das.“ Seinen Standpunkt muss der Betrachter vor diesen faszinierend schockierenden Gesichtern schon selbst finden, aber wohl kaum in einer Identifikation, sondern aus einer ganz eigenwilligen, weil in sich widersprüchlich aggressiven Distanz. Es ist eine historisch zu lesende Kollektion, auch in Kunstgeschichte. Im hinteren Raum des Obergeschosses steht im Hochformat in absolutistischer Herrscherpose Armstrong Custer, der Sieger der Schlacht am Little Big Horn, in der die Indianer niedergemetzelt wurden. Ironie ist unverkennbar bei so viel Arroganz, bei der das Lachen erstirbt. In diesem Raum prallen die Gegensätze aufeinander. In bescheidenem, eigentlich einem Porträt angemessenen Format hängen dicht nebeneinander das von ungetrübtem Heldenmut strahlende Porträt Graf von Stauffenbergs und ein mit betont flüchtigen Pinselspuren angelegter Schädel – der ausgelöschte Stauffenberg, der Vergessene? Oder war zuerst die vage Vorstellung, aus der mithilfe der Medien jener makellose Held und Retter deutscher Ehre emporstieg? Jedes Bild ist nicht nur an dieser Stelle eine Frage, auch wenn es noch so selbstbewusst daher kommt. Und wieder ein Kontrast. Im Hochformat wächst zu martialisch blonder Größe eine deutsche Maid empor, die Lanze geschultert – übrigens kompositorisch eine überzeugend gesetzte Bilddiagonale . Nicht nur ihr Mieder, auch ihr steinernes Gesicht ist blutrot. Das Bild ruft Irritationen hervor. Man erinnert sich des Umfelds des Künstlers. Der eine Großvater kam im KZ Dachau um, der andere war höherer Offizier. Wird hier Nazi-Malerei persifliert? „Ja, auch“, entgegnet Sambo-Richter, „aber für mich ist es vor allem eine Form intensiver Auseinandersetzung in einem historischen und künstlerischen Bezugsfeld, ein kritisches Hinterfragen.“ Je provokanter das Bild, umso eindringlicher der Anstoß zur Auseinandersetzung für jedermann. Eine wohl verdiente Erholung für Auge und Gemüt sind die Arbeiten in Öl und Grafit aus der Reihe „Modifikation“, wunderschön lockere und dennoch spannungsvolle Grafiken mit sparsam gesetzten Farbakzenten.
Abstrakte Arbeiten
All das ist souverän beherrschte realistische Malerei und Grafik. Mehr Realismus geht nicht. Doch die Ausstellung hat einen Rahmen, und der ist abstrakt. Daniel Sambo-Richter hat seiner realistisch explodierenden Kollektion einige abstrakte Arbeiten hinzugefügt. In den Neunziger-Jahren machte er sich einen Namen als profilierter Abstrakter, bis er um die Jahrtausendwende wieder zur figurativen Malerei fand. Er wollte sich „die Routine austreiben, in die man bei immerwährender Abstraktion geraten kann“. Nach der Cottbuser Kollektion möchte man jedoch sagen: Ein bisschen Abstraktion wäre eigentlich ganz schön. Und Sambo-Richter tröstet: „Ich bin schon auf dem Wege.“