Der ewige Zwiespalt Mensch
von Richard Rabensaat – Potsdamer Neueste Nachrichten, 05.06.2013
Ein Künstler der harten Kontraste: Daniel Sambo-Richters Bilder im Kunstraum und der a/e-Galerie.
Es sind keine unschuldigen Kinderaugen, die von den Bildern Daniel Sambo-Richters auf den Betrachter blicken. Die Kleider zu groß, auf dem Kopf eine Kommandantenmütze mit fünfzackigem Stern, neben sich ein Totenschädel, der auf einen Stock gespießt ist. In der Hand eine Kalaschnikow, die fast so groß ist wie der Körper des Dargestellten. Der schwarze Junge lächelt. Es scheint, als habe er gerne für den Fotografen posiert und sei sich seiner martialischen Montur nicht bewusst gewesen. „Die Namen der Kinder stehen nie neben den Fotos“, sagt Daniel Sambo-Richter. Aus Zeitungen und Magazinen hat er die Vorlagen für seine Bilderserie über Kindersoldaten entnommen. Liberia, Somalia, Angola, er wisse nicht genau, aus welchem Krieg die Bilder stammen würden, aber das sei auch für die Malerei und die Bilderserie nicht erheblich gewesen.
Soldaten, das Bild des Menschen, der Gewalt ausübt und von der Gewalt, die ihm widerfährt, geprägt wird, zeigt die Ausstellung „Neuzeit“ des Malers im Kunstraum Waschhaus, die an diesem Donnerstag eröffnet wird. Zu den Kindersoldaten gesellen sich Männer aus einer amerikanischen Kompanie des Zweiten Weltkrieges, die ausschließlich aus Schwarzen gebildet wurde. Porträts von amerikanischen Soldaten aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan hängen daneben. Sie stützen sich auf Panzerfäuste, sind behängt mit Ferngläsern und Funkgeräten.
Der historische General Custer schaut mit ernster Miene, verschränkten Armen und weißen Handschuhen in die Ferne. „Er ist das Beispiel für einen Mann, der erst sehr hoch aufgestiegen und dann sehr tief gefallen ist“, sagt Daniel Sambo-Richter. Der amerikanische Soldat George Armstrong Custer kämpfte zunächst im amerikanischen Bürgerkrieg und dann in den Indianerkriegen des 19. Jahrhunderts. Sein spektakuläres Scheitern im Kampf gegen die von den Häuptlingen Sitting Bull und Crazy Horse geführten Indianer am Little Big Horn hat sich tief in das amerikanische Bewusstsein eingegraben. Auch heute noch evoziert das Bild des Exzentrikers Custer tiefe Emotionen. Und um Gefühle geht es dem Maler Daniel Sambo-Richter in der Ausstellung mit dem Titel „Neuzeit“. „Ich versuche Bilder für eine seelische Situation zu finden, für das Zweifeln, die Ermattung“, sagt Sambo-Richter. Der Mensch, zerrissen, in Zusammenhänge gestellt, die er nicht überschauen kann und die ihn aufreiben, der gegen seine Interessen handelt und so auch die Umwelt zerstört, steht im Mittelpunkt.
Brennende Autowracks, entflammte Wälder, schmelzende Gletscher ergänzen die Serie der Soldatenbilder. Eismassen, die blau vor orangefarbenem Hintergrund stehen, sind kein romantisches Topos, sondern verweisen auf die menschgemachte Umweltzerstörung. „Es ist unwichtig, welcher Gletscher das ist“, stellt der Maler fest. Es gehe nicht um Dokumentation und Recherche, sondern um die künstlerische Reflexion. Deshalb entnehme er die Vorlagen für seine Soldatenbilder dem allgemein verfügbaren Medienmaterial und bereise keine Kriegsgebiete, er sei kein Reporter. Dennoch spiele sicherlich eine persönliche Erfahrung mit, wenn er Kindersoldaten oder den ermordeten angolanischen Rebellenführer Jonas Savimbi male. Manuela Sambo-Richter, die Ehefrau des Malers, ist in Angolas Hauptstadt Luanda aufgewachsen. 1984 kam sie zum Studium in die DDR, 1986 haben sich Daniel Richter und Manuela Sambo kennen gelernt. 1989 ist der Künstler erstmals durch Angola gereist. „In der Hauptstadt Luanda hat man vom Bürgerkrieg nichts mitbekommen. Aber auf dem Land habe ich zerschossene Städte und brennende Autowracks gesehen“, schildert Sambo-Richter seine damaligen Eindrücke.
Dennoch erhebt Sambo-Richter keine Anklagen, er malt keine Kampfhandlungen, sondern Porträts der Soldaten, die möglicherweise in einer Kampfpause an das Geschehe zurückdenken. Durch die eigene Interpretation und Umsetzung der Vorlage gibt der Maler den Dargestellten eine Lebendigkeit und Präsenz, die ein Foto nie erreichen könnte. Grundlage hierfür ist nicht zuletzt das Pendeln des Künstlers zwischen vielen Stilen und künstlerischen Polen. Ein großer Block abstrakter Gemälde findet sich im Oeuvre Sambo-Richters ebenso wie eine Serie zum Frauenbild der 30-er Jahre. Leni Riefenstahl gibt sich dort ein Stelldichein und auch die klischeehaft posierende schöne Blonde mit Badekappe. Überhaupt: die Frauen. In der korrespondierenden Ausstellung „Modifikation“ mit Zeichnungen von Sambo-Richter in der Galerie Euchner in der Hermann-Elflein-Straße 18 spielt der Künstler mit dem Klischee des weiblichen Rollenbildes. Wagners Walküren stellt er Zeichnungen von Frauen aus Tahiti gegenüber. Die tragischen germanischen Heroinen, konfrontiert mit der sublimen Erotik der pazifischen Schönheiten. Der Künstler Daniel Sambo-Richter liebt harte Kontraste.