Was bleibt zwischen Hysterie und Depression?
Von Kati Sprigode – BLICKLICHT, Mai 2007
Neue Arbeiten von Sambo-Richter in der Galerie Sonntag
„Hysteria“ heißt eine der Bilderserien von Daniel Sambo-Richter, die noch bis zum 9.Mai in der Galerie Sonntag zu sehen sind. Aktuelle Fotos aus den Medien inspirierten seine neuen Arbeiten figürlicher, klassischer Malerei. Schreiende Sportler, erregte Politiker, in sich gekehrte Todesopfer. „Der hysterische, theatralische Aspekt der Darstellung in den Medien interessiert mich.“, sagt er.
Der Name – das Programm, eröffnete der Galerist Thomas Richert die Ausstellung „Neue Arbeiten“ von Daniel Sambo-Richter an einem Sonntag im April. Seit Eröffnung des Ausstellungshauses, Oktober 2006, ist damit die dritte Ausstellung für Kunstinteressierte und potentielle Käufer gerichtet. „Ich mag die Ebertstraße. Sie ist die Schönste in Cottbus. Und Kunst braucht Öffentlichkeit und vor allem Käufer.“, begründet Richert seine Initiative. Beide Männer verbindet das Interesse an Kunst. Der eine läßt sich durchs Betrachten bewegen, der andere durchs Machen.
Der Künstler sieht in seinem Talent lediglich das Werkzeug, das ihm dient. Dazu dient, sich auf seine Weise mit dem aktuellen Zeitgeschehen und der eigenen Vergangenheit auseinander zu setzten. Fotografische Ästhetik und menschliche Regungen auf einem Zeitungsbild sprechen ihn an, ziehen ihn an. Er nimmt sich ein Foto und malt es genau genommen ab, so erklärt er. Im „Abmalen“ scheint eine Qualität zu stecken. Die, das Gesehene mit den Händen zu erspüren. Sambo-Richter läßt es durch sich hindurch, durchlebt es, verarbeitet es und transportiert es weiter. Verstärkt oder reduziert. Spricht von einer Interaktion zwischen der Bildvorlage und seinem Tun während des Entstehungsprozesses.
Gewalt ist immer wieder Thema. Offensichtliche Willkür oder versteckte Repressalien. Von Macht kommt Sambo-Richter im Gespräch schnell zu Ohnmacht. Das Portrait eines britischen Ingenieurs, der von irakischen Terroristen entführt wurde, hängt beispielsweise in der Ausstellung. Die letzte Aufnahme des Mannes vor seinem Tod ist festgehalten. In sich gekehrt, angekommen wirkt er. Warmes Gelb einer Sonne rahmt den Kopf. Der Maler nennt es ein graphisches Mittel. Womöglich hat es auch Symbolcharakter. Könnte für eine Hoffnung oder für Rückhalt stehen. Macht zumindest die Unglaublichkeit gar Sinnlosigkeit der Aktion, einen Menschen vor laufender Kamera zu enthaupten, erträglicher.
Auch die Motive für die Porträtserie „Babies“ stammen ausschließlich aus den Medien, haben keine privaten Bezug.
Gesichter haben den gebürtigen Cottbuser seit Mitte der 80ger Jahre, dem Beginn seines Schaffens interessiert. Anfang der 90er brach er völlig mit der menschlichen Figur. Hat sich großen Farbflächen und Rauminstallationen zugewandt. Hat diese Form in 15 Jahre bis zum ihm Möglichen getrieben, um nun seit drei Jahren wieder zum Menschen und dem figürlichen Malen zurückzukehren. Wie ein Mechanismus, der reguliert, Abstand gewährt, scheinen diese gegensätzlichen Arbeitsweisen zu wirken. Holen den Maler an einem toten Punkt ab und geben ihm mit dem Besinnen auf Bekanntes die Chance sich weiterzuentwickeln. Nach wie vor arbeitet er figürlich und abstrakt. In den neuen Werken findet man noch Zitate der abstrakten Malerei der 90er.
Großes Aufsehen erregt die 1,50×2 Meter große Malerei einer Frau mit geschulterter Stahlstange aus der Serie „German Fragments“. Fängt unmittelbar den Blick, betritt man den Raum der Galerie. Hat einen Zauber, zieht an. Die perfekte Schönheit und in sich ruhende Kraft der Frau berührt. Und auch ängstigt ihre herbe Ausstrahlung. Sie wirkt maskulin, kann scheinbar Unmögliches leisten. Sambo-Richter benutzt Worte wie ideologisch und perfide, spricht er über das Bild.
Ein bitterer Beigeschmack stößt auf. Die erste Assoziation, die man hört, ist „Leni Riefenstahl“. Bekannt wurde sie durch eine ästhetische Bildsprache, dynamischen Filmschnitt, vor allem aber auch durch den zugelassenen Mißbrauch des Naziregims. Die Erinnerung an Mißbrauch scheint schwer auszuhalten, sieht man sich so provokant und direkt damit konfrontiert. Ist man womöglich selbst betroffen gewesen.Abweisend reagieren Einige. Fühlen sich an die Propagandakunst des dritten Reiches erinnert. Das ist dem Künstler bewußt. Er arbeitet mit unterschiedlichsten Bildimages, nutzt Material der Zeit. Betrachtet man das Porträt im Kontext der Serie „German Fragments“, verweist es auf eine Thematik. „Die Gesamtheit der Bilder könnte vielleicht etwas erklären.“, sagt Sambo-Richter und überläßt es dem Betrachter.
Er tastet sich an seine Geschichte heran. Sein Großvaters Paul Richter war Pfarrer der bekennenden Kirche und starb im KZ Dachau. War aber durch Erzählungen in seinem Leben präsent. Sein anderer Großvater, Paul Schulze, diente bei der Wehrmacht als höherer Militär. Da erlebte der Künstler Verschweigen. Als Vakuum, das schwer lastet, empfindet der 41 jährige Wahlberliner solchen Umgang mit Vergangenheit. Begehrt mit seiner provokanten Art scheinbar dagegen auf. Fordert offensichtlich zur Auseinandersetzung, die Klärung schaffen könnte und die ein Loslassen erlauben würde, um im Hier und Jetzt zu leben. Entdeckt im Kleinen und Persönlichen, seiner Familiengeschichte, Verweise zu größeren Zusammenhängen, zur deutschen Geschichte.
Der Kreis schließt sich mit den theatralischen Auftritten öffentlicher Figuren, die er malt. „Ausdruck von Glück und Schmerz im menschlichen Gesicht liegen so nahe beieinander. Sind kaum zu unterscheiden.“, sprich der Künstler von seiner Faszination. Laut und schrill beschreibt Daniel Sambo-Richter das, was er sieht: „Einem Spektakel gleich bereiten es die Medien auf.“ Auf der anderen Seite fallen ihm lethargische und kraftlose Posen auf. Der eine Ausdruck scheint nach seiner Beobachtung den Anderen zu bedingen. Und vermeidet auch hier wirkliche Auseinandersetzung, so der Maler. Die gewählten Motive der Serie „Hysteria“ stehen exemplarisch für gesellschaftliche Gesamtzusammenhänge, die er ergründen will.
„Ich will nicht vorführen. Aufzeigen, ja. Aber auch bewußt an der Nase herumführen mit plakativer Darstellung.“ sagt er. Langjährige Beobachterin und Kunsthistorikerin Susanne Lambrecht bezeichnet Sambo-Richters Malweise als ein Ausbuchstabieren eines Themas. Bemerkte in den verschiedenen Arbeitsphasen immer eine Kontinuität, wenn es um das Ausdrücken seiner Empfindungen geht.
Siegfried Kohlschmidt, sonntäglicher Gast, fühlt sich als Flaneur, ist er in Galerien unterwegs. Läßt sich gern von Bildern fangen, packen. Und meint Daniel Sambo-Richters Bilder vermögen das. Erst einmal ungeachtet dessen, was sie auslösen. Er befindet die Ausstellung als unbedingt sehenswert. Und das ist sie.