Kopf ist Form, nicht Porträt

Von Arno Neumann – Märkische Allgemeine Zeitung 05.07.2006 / Potsdam

Eine Überraschung ist sie allemal, die von Kurator Erik Bruinenberg in der Intergalerie arrangierte Ausstellung mit neuen Arbeiten Daniel Sambo-Richters. Doch sie ist mehr als eine bloße Überraschung über das aktuelle Schaffen eines Künstlers, der nicht nur in Brandenburg einen Namen hat. „Hysteria“ in der Intergalerie stellt einiges auf den Kopf, nicht nur beim Künstler, sondern im Verständnis von etablierten Entwicklungswegen moderner Kunst vom konkret Gegenständlichen zu ungegenständlicher Abstraktion.

Daniel Sambo-Richter fand und findet hohe Anerkennung mit seinem nonfigurativen Werk, das sich auszeichnet durch eine kompositorisch immer wieder variierte Verspannung elementarer, farbig differenziert angelegter Formen. In den 90er Jahren drängt sich die Kopfform in seine Arbeiten, die er mit abstrahierten organischen Binnenformen zwar grob zu thematisieren sucht, ohne aber ins Individuelle zu gehen. Kopf ist Form, nicht Porträt.

Hier aber liegt die Überraschung und die kunstwissenschaftliche Pointe der Potsdamer Ausstellung: Alle Arbeiten sind Porträts, ausgeführt mit geradezu leidenschaftlicher Hingabe auch für das kleinste Detail eines Kopfes. Er musste einmal heraus aus der „gewissen Unverbindlichkeit der abstrakten Malerei“, wie er sagt. Daniel Sambo-Richter will sich „die Routine austreiben, in die man geraten kann bei immerwährender Abstraktion“. Und es ist das banale Leben, es sind die Menschen, die er vor seinem ebenerdigen Atelier im Wedding sieht, die ihn nicht loslassen. Er verrät, dass es „Spaß macht, in die Details eines Gesichtes zu gehen, die Dreidimensionalität eines Kopfes zu erfassen“.

Einige seiner Köpfe sind in Schwarz-Weiß gemalt. Er arbeitet nach Pressefotos, klein im Format, oft unscharf, dazu gerastert – geduldige Übungsobjekte, die man immer wieder hinterfragen kann. Die Ausdrucksskala reicht vom brüllenden Kopf, der wie ein Stein durch den Bildraum fliegt, bis zum absolut in sich gekehrten „Männerkopf“ von 2005, vom New-York-Girl bis zum hingerichteten Tooky Williams, Arbeiten, die er schon mit Blick auf seiner New Yorker Ausstellung im März 2007 gemacht hat.

Das Bedeutsamste in der Werkauswahl sind die Baby-Porträts, farbige Arbeiten, die gerade in der Gruppenhängung ihre gesellschaftliche Relevanz nicht verleugnen können und wollen. „Sie sind Reflexionen über den eigenen Lebensweg. Sie bergen Hoffnungen und Bedenken über Zukünftiges. Was wird aus ihnen? Es hat mich fasziniert, das in den Gesichtern zu suchen und Form werden zu lassen.“

Köpfe und Bildgrund sind farbig im Einklang. Bei seinen Schwarz-Weiß-Köpfen entstehen zum farbig konträren Bildgrund – hier findet man den alten Daniel Sambo-Richter wieder – faszinierende Spannungen. Kehrt er zurück zum Ungegenständlichen, das heißt nach seinen Worten auch zur Gefahr des Unverbindlichen? Wesentlich ist, dass ein Künstler sich nicht im Erfolg ausruht, sondern sich in kreativer Unruhe auf den Weg gemacht hat, auch wenn dieser ausgefahren scheint. Es wird spannend sein zu verfolgen, wohin er Daniel Sambo-Richter führt.