Between the ideal and the underlying undefined

Zwischen Idealem und dem Unbestimmten am Boden

By Christoph Tannert, 2003

As it always has, painting today develops force fields of an atmospheric density, irregardless of whether you arraign its creators as combatants of the avant-, or the retrogarde. To press painting into a progressive pattern of development or otherwise reproach it or endorse it for its traditional ties says something about the state of the art of art criticism, but otherwise nothing about the permanence of the maelstrom as a continuous “feast for the eyes” (Delacroix).

Particularly in times when everywhere the domination of an aesthetic of information design for the information age moves more and more into the foreground, the enthusiasm of youth for painting’s basic material elements, and their longing for immediacy and for the iconic remains unbroken.

Even if art’s and reality’s traditional division of labor as it still prevailed in the industrial age has also fallen apart, and if art’s position as an attention-demanding producer of perceptual proposals was subsequently shaken, the increased sensibility for things such as the radiance and temperature of color created new prospects for attraction.

The still young work of Daniel Sambo-Richter from Berlin, who participates with interest in the contemporary discourse, cannot be separated from the transition within painting and its interpretation. It should thus be possible to exhibit Richter’s geometric-constructive series „Space of Possibilities“ from 2001/2002 together with an as-yet unshown earlier series of 10 expressively executed „Köpfen“ (Heads) from 1998/1999. For Sambo-Richter has always developed his series of paintings in opposition to aesthetic claims of exclusivity, and thus in constant alteration between anticipation and reversion, comparable with Duchamp’s door with its two openings and a filling.

Richter laughs at the system which dictates every artist have a recognizable style, something he himself has avoided until now, proving by this attitude to be an apt descendent of his famous namesake, but also of other masters of the kaleidoscopic eye.

Thus the course is predetermined; to seek a balance between factors of visual irritation and the radical painting.

Upon superficial observation his work’s current phase appears like a two-part symphony of program music. From one side salutes the dramatic impetus, the blazing bush of fire, while offsetting this is a painterly rendition aspiring to the reserved manifestation of the dominant striped effect, although certainly allowing the occasional casually splattered transition zone between stripes in an ornate reprise.

This alternation draws its viewers in, but simultaneously holds them at a distance. If one takes time for detailed investigation, the “heads” in matte enamel paint on hardboard panel assail their viewer, without meaning the viewer directly; for Sambo-Richter doesn’t portray nor does he humanize, he composes. Defined and undefined stand side by side in the form. A “head” can be a place of inner sanctity, a reference to the prospect of an instant between daydream and meditation. And concurrently, a starting point for inquiry, when Sambo-Richter stirs in darkness with his brush, in spottiness, in dryness, from out of which, born of open cavities of mouths, soundless cries appear to come.

In the series „Space of Possibilities“ severity and illumination have the upper hand. Perhaps this is due to lucidity arising from the placement of various types of enamel paint (glossy and silk-matte) against one another.

While the “heads” make inward reference, the stripes orient themselves like rays towards an above. Thus two targets of inquiry are stated in color and form in two equally strongly-characterized approaches.

It’s not two souls living there within the artist’s breast, for built into the striped compositions are also divergences and surprises that refute the view that Sambo-Richter has developed into a hermetic. No matter how he configures his paintings, in their various forms of existence they always pursue movements towards reality – from the horizontal, wildly proliferating mycelium in its expressive process of germination, to the vertical; towards condensation trails and still further – there where the spirit goes in search of itself.

Malerei von heute entwickelt wie eh und je Kraftfelder atmosphärischer Dichte, ganz gleich ob man ihre Schöpfer als Kombattanten der Avant- oder Retrogarde überführt. Malerei in ein progressives Entwicklungsmuster zu pressen oder ihr andererseits ihre traditionellen Bindungen vorzuhalten wie zu bestätigen, sagt etwas aus über den Stand der Kunst der Kunstkritik, nichts hingegen über die Permanenz des Malstroms als eines andauernden „Fests für die Augen“ (Delacroix).

Gerade in Zeiten, in denen die Übermacht einer Ästhetik als Gestaltung von Informationen für die Informationsgesellschaft in allen Bereichen mehr und mehr in den Vordergrund rückt, ist die Begeisterung der Jungen für die materiellen Grundelemente der Malerei, die Sehnsucht nach Unmittelbarkeit sowie nach dem Ikonischen ungebrochen.

Zerfällt auch die traditionelle Arbeitsteilung zwischen Kunst und Wirklichkeit, wie sie im industriellen Zeitalter noch geherrscht hatte und wurde die Stellung der Kunst als aufmerksamkeitsheischende Produzentin von Wahrnehmungsangeboten nachträglich erschüttert, die gestiegene Sensibilität etwa für die Strahlkraft und Temperatur der Farben schafft neue Attraktionspotentiale.

Das noch junge Werk des Berliners Daniel Sambo-Richter, der mit Interesse an den aktuellen Diskursen teilnimmt, ist nicht zu trennen vom Wandel der Bilder und ihrer Interpretationen. Es sollte insofern möglich sein, Sambo-Richters geometrisch-konstruktive Serie „Spaces of Possibilities“ mit einer bisher nicht gezeigten früheren Serie  von zehn expressiv gehaltenen „Köpfen“ (1998/1999) im Zusammenhang zu sehen, da Sambo-Richter seine Bildreihen immer auch gegen ästhetische Ausschließlichkeitsansprüche entwickelt hat, d.h. in ständigen Vor- und Rückgriffen, vergleichbar Duchamps Tür, die zwei Öffnungen und eine Füllung hat.

Sambo-Richter verlacht das System, demzufolge jeder Künstler einen wieder erkennbaren Stil haben muss, worauf er selbst bisher verzichtet hat, und erweist sich in seiner Haltung als gelehriger Nachfahr seines großen Namensvetters, aber auch anderen Spezialisten des kaleidoskopischen Blicks.

Damit ist die Richtung vorgegeben, Balancen zu finden zwischen visuellen Störfaktoren und dem radikalen Bild.

Bei oberflächlichem Hinschauen sieht die aktuelle Phase seines Werkes aus wie eine zweiteilige Programmsymphonie – einerseits grüßt der dramatische Impetus, der lodernde Feuerbusch, andererseits gibt es jenen malerischen Vortrag, der auf den kühl auftretenden, dominanten streifigen Effekt aus ist, aber durchaus auch mal lässig angekleckerte Übergangszonen vom Streifen in eine ausgezierte Reprise zulässt.

Der Betrachter wird in dieses Hin und Her hineingezogen, zugleich wird er auf Abstand gehalten. Nimmt man sich Zeit für eine eingehendere Untersuchung, springen einen die mit Mattlack auf Hartfaserplatten erarbeiteten „Köpfe“ an, meinen den Betrachter aber nicht direkt, denn Sambo-Richter porträtiert nicht und menschelt nicht, er komponiert. Bestimmtes und Unbestimmtes in der Form stehen nebeneinander. Ein „Kopf“ kann ein Ort innerer Geborgenheit sein, der Hinweis auf die Möglichkeit eines Augen-Blicks zwischen Wachtraum und Meditation. Zugleich ein Ausgangspunkt für Erkundungen, wenn Sambo-Richter mit dem Pinsel im Dunkeln rührt, im Fleckigen, Trockenen, aus dem, geboren aus offenen Mundhöhlen, lautlose Schreie zu kommen scheinen.

In der Serie „Spaces of Possibilities“ dann hat das Strenge, das Belichtete die Überhand. Vielleicht liegt es daran, dass Luzidität im Gegeneinandersetzen verschiedener Lacksorten (hochglänzend und seidenmatt) entsteht.

Während die „Köpfe“ nach innen verweisen, orientieren sich die Streifen wie Strahlen an einem Oben. Somit sind zwei Erkundungsziele genannt in zwei gleich stark ausgeprägten Zugriffsmodi in Farbe und Form.

Es sind nicht zwei Seelen, die da in des Künstlers Brust wohnen, denn auch in den Streifen-Kompositionen sind Aufbrüche und Überraschungen eingebaut und widerlegen die Auffassung, Sambo-Richter hätte sich zum Hermetiker entwickelt. Wie er seine Bilder auch konfiguriert, immer folgen sie Bewegungen auf die Wirklichkeit in ihren unterschiedlichen Daseinsformen zu – vom horizontal und wild wuchernden Myzel im expressiven Keimungsvorgang hin ins Vertikale, in Richtung der Kondenssteifen und weiter noch, … dorthin wo der Geist sich selber sucht.